Mit Instandhaltungssoftware Fachkräftemangel und Komplexität der Prozesse trotzen: Bedeutung von Predictive Maintenance wird weiter zunehmen
Um Produktionsanlagen in der Fertigungsindustrie störungsfrei und kosteneffizient zu betreiben, werden schon seit vielen Jahren Instandhaltungssoftware-Lösungen eingesetzt. Es gilt, ineinandergreifende Prozesse und Abläufe – von der Inspektion über die (vorausschauende) Wartung bis hin zur Instandsetzung – optimal zu organisieren, zu steuern und zu überwachen.
Instandhalter müssen heute unter den beiden Stressfaktoren Zeit und Kosten immer wieder wichtige und vor allem richtige Entscheidungen treffen, um das reibungslose Funktionieren der Maschinen und Anlagen im betreffenden Werk sicherzustellen. So können dann auch eine hohe Anlagenverfügbarkeit gewährleistet und Ausfallzeiten minimiert werden. Christian Jeske, Leiter Marketing beim Softwarehersteller Membrain, zur Bedeutung von Softwaretools für die Instandhaltung: „Instandhaltungssoftware versteht sich als leistungsstarkes Tool für reibungslose und effiziente Arbeitsprozesse, um das Hauptziel, eine möglichst hohe technische Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen zu garantieren sowie Maschinenausfälle und Produktionsunterbrechungen auf ein Minimum zu reduzieren, zu gewährleisten.“
Bekannte Gründe wie der demographische Wandel (Generationswechsel), Fachkräftemangel und die gestiegene Komplexität der Prozesse machen eine digitale Lösung heute nahezu alternativlos, „denn anders lassen sich aktuelle Herausforderungen im produzierenden Umfeld nicht mehr bewältigen.“ Dr. Dipl.-Ing. Andreas Dankl, Geschäftsführer dankl+partner consulting | MCP Deutschland GmbH, ergänzt: „Ein Computerized Maintenance Management System (CMMS) verfügt idealerweise über Planungs- und Steuerungsfunktionen, mit der Instandhaltungsmaßnahmen und der Personaleinsatz effizient gestaltet werden sowie Material und externes Servicepersonal zeitgerecht disponiert werden können.“ So können Analysen Instandhaltungsstrategien optimieren. Man denke hier an die Anpassung von Inspektions- und Wartungsinhalte und -intervalle an Anlagenzustände und an die Vermeidung von Anlagenstörungen und –ausfälle.
Digitalisierte und zentralisierte Wartungsinformationen
Ein weiterer Aspekt ist die Dokumentation der durchgeführten Instandhaltungsleistungen und anlagenbezogenen Maßnahmen. Damit wird der lückenlose Erfüllungsnachweis von behördlichen Auflagen und Bestimmungen oder auch der Vorgaben von Anlagenlieferanten innerhalb der Gewährleistungszeit sichergestellt. Der gesamte Instandhaltungsprozess kann also durch den Einsatz von Instandhaltungssoftware effizienter werden. „Alle Aufträge für Wartung und Instandhaltung sind in einem digitalen Tool erfasst und es kann beispielsweise eine automatische Planung über mehrere Aufträge erfolgen“, sagt Dr. Sebastian Gottwalt, Chief Customer Officer bei Anacision, einem Anbieter von Advanced Planning and Scheduling-Lösungen. „Gleichzeitig werden Wartungsinformationen digitalisiert und zentralisiert. Hier liegen Potentiale in der Analyse und Transparenz für bessere Entscheidungen.“
CRM-Systeme mit immer mehr Servicefunktionen
Im Maschinen- und Anlagenbau gibt es eine weitere Ausprägung von Instandhaltungssoftware, um die Anlagen beim Kunden lauffähig zu halten und den Betrieb zu optimieren. Diese sogenannten Servicemanagementlösungen unterstützen den Innen- und Außendienst bei all ihren Tätigkeiten, dazu Thomas Riegler, VDMA, Software und Digitalisierung: „Diese Lösungen decken im Idealfall alle Aufgaben der Abteilung Service ab: von der Störungsannahme über Einsatzplanung bis hin zur Rückmeldung und Fakturierung der Einsätze. Die Anbindung des Außendienstes mit kompletten Wissensmanagement sollte integriert sein.“ Mittlerweile seien sogar in CRM-Systemen (Customer Relationship Management) immer mehr Servicefunktionen integriert, damit alle Abteilungen, die Kontakt zum Kunden haben, auf die nötigen Informationen zugreifen könnten.
„Nicht Konkurrenz zu MES, sondern Ergänzung“
Werden in CRM-Systemen wartungs- und servicerelevante Informationen hinterlegt, können leistungsfähige MES-Lösungen (Manufacturing Execution System) sogar Instandhaltungsaufgaben übernehmen, dazu M. Sc. Florian Schuldt, Fachgruppe Smart Maintenance im Dienstleistungsmanagement, Qualitätsmanagementbeauftragter FIR der RWTH Aachen: „Das ist stark abhängig von der jeweiligen MES-Lösung und den Anforderungen des Unternehmens. Hier muss individuell geschaut werden, ob eine Ergänzung des vorhandenen MES durch ein Instandhaltungsplanungs- und Instandhaltungssteuerungs-System sinnvoll ist. Grundsätzlich besteht aber die Möglichkeit, dass ein MES-System instandhaltungsrelevante Aspekte ausreichend abdeckt.“
So steht beispielweise bei Membrain das optimierte und mobile Arbeiten im Fokus der Instandhaltungslösung. Dabei soll der Instandhalter entlastet, zum anderen befähigt werden, um komplexe Systeme einfach und schnell bedienen zu können. „Dieser Ansatz steht in der Regel nicht in Konkurrenz zur MES-Lösung, sondern dient oftmals als Ergänzung“, sagt Membrain-Marketingleiter Jeske. Denn das Thema mobiles Arbeiten gewinne immer mehr an Stellenwert. Außerdem biete der Plattformgedanke eine entscheidende Rolle, denn zukünftig gelte es, die unterschiedlichen Welten Mobility, Industrie 4.0, Cloud und Systeme zusammenzubringen. „Nur so kann eine höhere Wertschöpfung erzielt und die Effizienz gesteigert werden.“
Chemische und Luftfahrtindustrie mit Vorreiterrolle bei Predictive Maintenance
Um den oben beschriebenen Herausforderungen entgegenzuwirken dürfte dem Thema Prozess-Optimierung eine zentrale und immens wichtige Aufgabe zukommen. Das ruft unweigerlich Predictive Maintenance, also die vorausschauende Wartung, auf den Plan. Predictive Maintenance ist dabei als strategischer Ansatz zu sehen, der Instandhaltung noch effizienter und ressourcenschonender machen soll, dazu nochmals FIR-Mann Florian Schuldt: „Die Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen oft noch bei den Basics – also saubere und schlanke Prozesse und valide Stammdaten – straucheln und noch nicht wirklich zu Predictive Maintenance befähigt sind.“ Nichtsdestotrotz ist Predictive Maintenance zukünftig sicherlich ein wichtiger Bestandteil im Mix der Instandhaltungsstrategien für Produktions- und Versorgungsanlagen, das weiß auch Andreas Dankl von dankl+partner: „Das Prinzip von Predictive Maintenance ist, Anlagen(teile) und deren Zustände mithilfe von Sensorik zu überwachen und anhand von Algorithmen den Verschleiß der Anlagen(teile) vorherzusagen und somit zeitgerechte erforderliche Instandhaltungsmaßnahmen einzuleiten, um ungeplante Anlagenstillstände und kostenintensive Reparaturen zu vermeiden.“ Voraussetzungen hierfür seien aber valide Datenbestände über den jeweiligen Zustand der Anlagen(teile), den Anlagenbetrieb und zu Prozessbedingungen, die zusammengeführt werden müssten und natürlich aussagekräftige Algorithmen zum Anlagenverschleiß.
Für Anacision-CCO Sebastian Gottwalt gibt es auch industrielle Segmente mit einer Vorreiterfunktion für den Einsatz von Predictive Maintenance: „In meinen Augen gibt es zwei Bereiche, die beim Einsatz von Instandhaltungssoftware in Kombination mit Predictive Maintenance führend sind: zum einen die Luftfahrtindustrie, zum anderen große Anlagen in der chemischen Industrie.“ In beiden Bereichen seien ungeplante Stillstände mit hohen Kosten verbunden, daher würden sich Investition in Predictive Maintenance deutlich schneller rechnen als in anderen Industrien.
Die Zukunft heißt ‚Selbstoptimierende Systeme’
Was die Zukunft moderner Instandhaltungssoftware-Tools anbelangt, stößt man immer wieder auf den Begriff der ‚Selbstoptimierenden Systeme’. So ist etwa auf plattform-i40.de, einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, zu lesen: ‚Als Erweiterung klassisch geregelter Maschinen und Anlagen mit NC-Technologie verfügen selbstoptimierende Systeme über kognitive Fähigkeiten, mittels derer Regelstrategien und -ziele in Echtzeit innerhalb der Maschine und des Systems angepasst werden können. Solche Systeme verfügen über größere autonome Funktionsspielräume und sind damit robuster gegen Störungen. Diese Funktionen der Selbstoptimierung basieren auf Technologien des maschinellen Lernens. Im Kontext der Industrie 4.0 liegen relevante Potenziale in der Kombination dieser Konzepte mit Big Data Analytics und cloudbasierten Services, wodurch wiederum neue Geschäftspotenziale beispielsweise für Hersteller entstehen.’ Dem kann Thomas Riegler, VDMA-Experte für IT-Lösungen im Service, nur zustimmen: „In Zukunft werden Maschinen mittels KI die Diagnose und Überwachung selbst durchführen und bei Bedarf sich selbst beim Hersteller melden. Wartungen werden von den Maschinen geplant und initiiert. Ersatzteile werden direkt vor Ort gedruckt und können so mit wenig Unterbrechung eingebaut werden.“
Für Andreas Dankl ist es an dieser Stelle wichtig zu betonen, „dass bereits heute einige dieser Technologien oder Ansätze und Lösungen am Markt verfügbar sind und es sich bereits jetzt lohnt, sich mit diesen Entwicklungen für das eigene Unternehmen zu befassen.“ Denn gesetzliche Vorgaben etwa hinsichtlich der CO2-Bilanz, Dokumentationsbestimmungen oder auch die zunehmenden Auswirkungen des Fachkräftemangels ließen keine Alternativen zu einem intelligenten Computerized Maintenance Management System-Einsatz zu.