Wird es in 10 Jahren noch betriebliche Instandhaltung geben oder lässt sich dann alles über Dienstleister abwickeln? Wird Instandhaltung in Zukunft überhaupt ein rein externes Thema sein, bei dem die Hersteller laufend alle Produktionsdaten bekommen, aufgrund der Datenanalyse selbstständig den Wartungsfall ermitteln und die Dienstleistung auch gleich selber erbringen? Und schließlich: Wird KI das Expertenwissen erfahrener Instandhalter ersetzen oder sogar übertreffen?
Mögliche Antworten auf diese Fragen zeigen wir hier in einer spannenden Konstellation – einmal aus der Sicht eines Industrie-Servicedienstleisters und einmal aus der Sicht eines Softwareentwicklers im Umfeld von Industrie 4.0 und Digitalisierung.
Jan-Jörg Müller-Seiler ist Managing Partner der Robur Industry Service Group GmbH, einem Industrieservice-Dienstleister in den Segmenten Wind, Wasser, Energie, Industrials und Prozessindustrie. Angeboten werden unter anderem Planung und Realisation über Installation, Betrieb und Instandhaltung bis zu Verlagerung und Rückbau von Industrieanlagen.
Peter Lukesch ist COO der Ondeso GmbH. Die Produkte von ondeso befähigen Instandhaltungsverantwortliche, eigenverantwortlich IT-Aufgaben zu übernehmen, welche beispielsweise im Vorfeld von den Fachabteilungen geplant und freigegeben werden.
Die Zukunft der betrieblichen Instandhaltung
Zur Frage, ob die betriebliche Instandhaltung auch in der Zukunft unverändert bleiben wird, meint Jan Jörg Müller-Seiler: „Die betriebliche Instandhaltung ist, wie viele Dienstleistungen, einem konstanten Wandel unterworfen. Seien es die Herausforderungen der digitalen Transformation, des ökologischen Wandels oder neuer gesetzlichen Anforderungen.
Und auch in der Instandhaltung wechseln sich Out-Sourcing-Bestrebungen mit In-Sourcing-Strategien ab.“
Peter Lukesch kann diesen Punkt bestätigen: „Einen Mindestumfang an betrieblicher Instandhaltung wird es allein schon aufgrund der schnellen Reaktionszeiten und Firmenspezifika, die eine Firma oder ein Produkt einzigartig machen, immer geben müssen.” Allerdings werden sich die Aufgaben künftig stark verändern und zum Beispiel immer IT-lastiger werden. In- und Outsourcing sind in der IT ja ein altes und bekanntes Spiel, dass sich je nach genauem Tätigkeitsfeld in unterschiedlich langen Wellen wiederholt. Grundsätzlich kann man alles, was standardisiert ist, gut outsourcen. Eine Standard-Aufgabe mit einem Standard-Tool zum Beispiel kann ohne großen Aufwand extern vergeben werden.
Häufig wird das Auslagern von Aufgaben jedoch dann gestartet, wenn intern zu viel Personal gebunden wird, da die Aufgaben hochspeziell und individuell werden. Hat der externe Dienstleister dann alles verstanden und sich einen Überblick verschafft und die Prozesse optimiert, startet intern wieder der Gedankengang, dass man das auch selbst machen kann, wenn es so einfach ist.
Jan-Jörg Müller-Seiler glaubt, dass der Markt für die Instandhaltung durch Dienstleister langfristig wachsen wird – alleine schon durch die immer diversifizierten Spezialisierungen, die für eine professionelle, zertifizierte und immer mehr vorausschauende Instandhaltung notwendig sind und für die nicht in allen Bereichen diese Kompetenzen inhouse effizient vorgehalten werden können. Er ist überzeugt, dass Betreiber und spezialisierte Instandsetzer sich immer enger verzahnen werden: „Damit werden natürlich auch die Erwartungen eines Betreibers an den Instandsetzungsdienstleister steigen und eventuelle Interessenkonflikte in Bezug auf verschiedene Kunden können plötzlich zur Kernfrage werden.“
Die Rolle der Hersteller bei der predictive maintenance
Können sich die beiden Experten vorstellen, dass die Instandhaltung in Zukunft ein rein externes Thema sein wird, bei dem der Hersteller laufend alle Produktionsdaten bekommt, aufgrund der Datenanalyse selbstständig den Wartungsfall ermittelt und die Dienstleistung auch gleich selber erbringt? Hier gibt es unterschiedliche Ansichten.
Peter Lukesch meint dazu: „Ein rein externes Thema wird die Instandhaltung unserer Meinung nach nie, da es immer auch Spezialwissen innerhalb einer Firma gibt, welches beispielsweise auch das Zusammenspiel verschiedenster Maschinen von unterschiedlichen Herstellern und die Arbeitsabläufe innerhalb der Firma angeht. So entstehen am Ende nahezu immer kundenindividuelle Gesamtlösungen, die über Jahre oder Jahrzehnte auf das entsprechende Endprodukt hin optimiert wurden. Nichtsdestotrotz könnten einzelne Bestandteile in einer Art Wartungsvertrag mit abgegeben werden, sodass zum Beispiel Verschleißteile rechtzeitig selbständig ausgewechselt und Komponentenupdates durchgeführt werden, die zu einer höheren Stabilität oder längeren Laufzeit beitragen. Denkbar auch, dass so Risiken minimiert werden, etwa durch Ausbessern bekannter „Sollbruchstellen“ oder Schließen von Schwachstellen in der Software.“
Jan-Jörg Müller-Seiler kann sich einen Trend zum externen management dagegen schon vorstellen und gibt zu bedenken: „Im Einzelnen wird dies sicher der Fall sein. Vor allem „XY- as-a-Service“ wird in einigen Bereichen Einzug finden. Die Frage ist nur, ob die Betreiber der Maschinen bereit sind, dem Hersteller eine maximale Transparenz ihrer Maschinendaten zu geben. Hier sehen wir aktuell durchaus noch Vorbehalte in alle Industrien, allen voran in denen der sogenannten kritischen Infrastruktur. Aber: Maximale Transparenz und bei Bedarf offene Schnittstellen ermöglichen es, dass sich Betreiber nicht in kritische Abhängigkeiten von Herstellern begebenen, sondern vielmehr den für die jeweilige Aufgabe am besten geeigneten Spezialisten frei beauftragen können. Gepaart mit einem digital-fundiertem Ökosystem an Partnern würden hier alle gewinnen und den spezialisierten Instandsetzungsexperten wird in diesem System dabei immer mehr die Aufgabe des „Unabhängigen“ zukommen.“
KI oder Erfahrungswissen – oder beides?
In der Frage, inwiefern KI das Expertenwissen eines erfahrenen Instandhalters ersetzen könnte, sind sich beide Fachleute dann im Ergebnis wieder einig. Peter Lukesch sieht es von der Warte des Softwareentwicklers und erklärt, dass KI sehr gut große Datenmengen analysieren, Muster erkennen oder daraus etwas ableiten kann. „Was KI aber fehlt, sind Spontanität, Kreativität und Zufall. Instandhalter können dagegen durchaus erfinderisch tätig werden, wenn eine Anlage steht. So werden beispielsweise Baugruppen aus anderen Geräten temporär entnommen, wenn diese nicht akut benötigt werden. Während ein Instandhalter einen einzelnen Ausreißer, der durch ein spezielles Ereignis bedingt wurde, relativ einfach erkennt und Handlungen ableiten kann, muss eine KI mit diesem Wert in irgendeiner Weise sinnvoll umgehen. Und KI kann sich nur auf die vorhandenen Daten und deren Qualität verlassen. Was mal vor 15 Jahren passiert ist – aber noch nicht aufgezeichnet wurde – müsste man ihr erst beibringen. KI wird sich auch nicht bei anderen noch unbekannten Systemen selbständig durchfragen und nach alternativen Lösungen oder Lösungsunterstützung suchen. Zusammengefasst glaube ich, dass KI den Instandhaltern eine große Hilfe sein kann, die viele manuelle, wiederholbare Arbeitsschritte unterstützten und optimieren kann und durch Trends und aufbereitete Daten Probleme noch eher und besser sichtbar macht. Die Entscheidung und Umsetzung wird aber, speziell in kritischen Fällen, immer noch ein Mensch zusätzlich begutachten und freigeben müssen.“
Und Jan-Jörg Müller-Seiler fügt an dem Punkt noch hinzu: „Alleine schon angesichts des anstehenden Generationswechsels der Instandhaltungsleiter und -Experten brauchen wir Lösungen, um das Expertenwissen mindestens zu ergänzen und in einigen Bereichen auch zu ersetzen. Das Zusammenspiel von KI- und ML-Lösungen und Digitalisierung auf der einen Seite und konventioneller Instandsetzung auf der anderen Seite wird dabei immer wichtiger. Jedoch kann und wird die Digitalisierung das menschliche Auge meiner Überzeugung nach nie vollends ersetzen.“